Bewegungswissen

#sitzdazu: Sitzaktion der Studierenden der Humboldt-Universität zu Berlin im Rahmen der Klimawoche/Public Climate School von Fridays For Future bzw. Studis For Future, Berlin, 27.11.19 Foto Stefan Müller - Wikimedia Commons Licence

Akteurinnen und Akteure sozialer Bewegungen produzieren und verbreiten Wissen. Sie postulieren potenziell subversives „Gegenwissen“ und fordern gängige Epistemologien heraus; sie nutzen und kritisieren wissenschaftliche Expertise und prägen wissenschaftliche Trends. Dies zeigen paradigmatische Beispiele der jüngsten Zeitgeschichte wie die Gegenhochschulen der Studierendenbewegung oder die Produktion feministischen Körperwissens nicht weniger wie der gegenwärtige Umgang von Fridays for Future mit der Klimaforschung oder die wissenschaftsskeptischen Wissenskonstitutionen der „Querdenker“.

Die Bedeutung des Bewegungswissens lässt sich dabei auf eine doppelte Weise beschreiben. Aspekte des Wissens werden zum einen wesentlich für die Konstitution, das Selbstverständnis, die politische Praxis und die Wirkung sozialer Bewegungen. Zum anderen bilden die Konstitutionsprozesse und die Konflikte um Bewegungswissen einen Schlüssel zum Verständnis moderner Gesellschaften seit den 1960er Jahren, in denen sich die zentrale Bedeutung von Wissensphänomen gerade auch durch ihre Umstrittenheit und politisch-soziale Umkämpftheit artikuliert.

Dennoch sind die sozialen und kulturellen Praktiken, mittels derer soziale Bewegungen sich bemühen, Wissen zu produzieren und gesellschaftlich zu positionieren, bisher ebenso wenig systematisch untersucht worden wie die Inhalte und Formen des Bewegungswissens selbst. Eine Gruppe von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus Geschichte, Soziologie, Ethnologie, Rechts-, Medien- und Politikwissenschaft an der Universität Konstanz erforscht daher seit 2019 den Konnex zwischen Wissen und sozialen Bewegungen.

Die interdisziplinäre Gruppe führt Bewegungsforschung mit Wissensgeschichte und -soziologie zusammen. Sie erweitert die Bewegungsforschung kulturwissenschaftlich in einem Verbund, der die historische Entstehung und Rahmung des Wissens sozialer Bewegungen mit der Selbstsicht von Aktivistinnen und Aktivisten, ihren sozialen und medialen Einbettungen sowie institutionellen und normativen Verankerungen verbindet.