Forschung der Professur für Allgemeine Soziologie und Makrosoziologie

Netzwerktheorie und Netzwerkgesellschaft

Soziale Netzwerke sind seit Jahrzehnten ein etabliertes Thema soziologischer Forschung. Die sozialwissenschaftliche Netzwerkanalyse hat seit den 1960er Jahren daran gearbeitet, soziale Netzwerke gegenüber konkurrierenden Beschreibungen sozialer Aggregate wie Gruppe, Gesellschaft oder System zu profilieren. Aufbauend auf den Ergebnissen der britischen Sozialanthropologie hat sich die Netzwerkanalyse daraufhin in den Vereinigten Staaten zu einem umfangreichen Forschungsprogramm entwickelt. Dabei wurden vor allem die Analysemethoden weiterentwickelt und verfeinert. Erst in den letzten Jahren sind sie jedoch auch zum Baustein und Gegenstand systematischer Theoriebildung und aktueller Zeitdiagnosen geworden. Die weit verzweigte Diskussion über Sozialkapital belegt dies ebenso wie die Ausrufung einer "Netzwerkgesellschaft" durch Manuell Castells und andere. Nach wie vor stehen jedoch die verschiedenen metaphorischen, theoretisch anspruchsvollen oder rein empiristischen Verwendungen des Begriffs ziemlich unvermittelt nebeneinander. Eine intensivere Diskussion über den Stellenwert von Netzwerken in der soziologischen Theorie lässt sich erst in den letzten zehn Jahren beobachten. Sie wurde im englischsprachigen Raum von etablierten Netzwerk­forschern wie Harrison White vorangetrieben. Allerdings hat diese Debatte bisher kaum Notiz von neueren Theorieangeboten, namentlich der Systemtheorie, genommen. Der Status einer Netzwerk-"Theorie" bleibt daher ungeklärt. Um dem abzuhelfen, dürfte die Verbindung neuerer netzwerkanalytischer Modelle mit gesellschaftstheoretischen Überlegungen ein entscheidender Schritt sein.

Veröffentlichungen:

  • Holzer, Boris (2010): Die Differenzierung von Netzwerk, Interaktion und Gesellschaft, in Michael Bommes and Veronika Tacke (Hg.), Netzwerke in der funktional differenzierten Gesellschaft, Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, i.E.
  • Holzer, Boris (2009): Netzwerktheorie, in Georg Kneer and Markus Schroer(eds), Handbuch Soziologische Theorien, Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 253-275.
  • Holzer, B. (2006): Netzwerke. Bielefeld: transcript (2., unveränderte Auflage 2010).

Globalisierung, Theorie der Weltgesellschaft

Lange erschien es unproblematisch und trivial, Soziologie als Wissenschaft der nationalstaatlichen Gesellschaft zu konzipieren. Die sozialwissenschaftliche Globalisierungsdebatte hat diesen methodologischen Nationalismus in Frage gestellt, ohne bisher eine vergleichbar akzeptierte Alternative zu entwickeln. Die Suche nach neuen Ansätzen muss theoretische und empirische Hindernisse überwinden: Was ersetzt den Begriff der nationalstaatlich begrenzten Gesellschaft? Wie lassen sich die Grundbegriffe der Soziologie und der Politikwissenschaft für Transnationalisierungs­prozesse öffnen? Auf welche Daten kann sich die Forschung stützen, wenn statistische und soziologische Empirien sich noch weitgehend im Rahmen des Nationalstaats bewegen? Neben der Prüfung und Weiterentwicklung diverser Theorieansätze (z.B. Neo-Institutionalismus, Systemtheorie, Weltrisikogesellschaft, Netzwerktheorie) geht es also vor allem darum, die Empirie einer heterogenen Weltgesellschaft ernstzunehmen und auszuwerten.

Veröffentlichungen:

  • Holzer, Boris (2009): Orbis (non) sufficit: Wie global ist die Weltgesellschaft?, Revue für postheroisches Management, 5, S. 80-85.
  • Holzer, Boris (2008): Das Leiden der Anderen: Episodische Solidarität in der Weltgesellschaft, Soziale Welt, 59 (2), 141-156.
  • Holzer, Boris (2006): Spielräume der Weltgesellschaft: Formale Strukturen und Zonen der Informalität, in Thomas Schwinn (Hg.), Die Vielfalt und Einheit der Moderne. Kultur- und strukturvergleichende Analyse, Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 259-279.